Nun ist sie also vorbei, die Gymnasiumszeit. Die vollen acht Jahre habe ich am BRG Viktring im "normalen" Musikzweig, als Teil der A-Klasse, verbracht. [...]
Als ich an die Schule kam, gab es nicht nur noch eine D-Klasse, es wurden auch gerade die M-Klassen geschaffen. Nach der Aufnahmeprüfung stand ich vor der Wahl, eine der beiden "normalen" Klassen zu besuchen oder die neugegründete M. Auch der BE-Zweig stand zur Auswahl, da ich beide Aufnahmeprüfungen – Musik und BE – bestanden hatte und auch immer schon gerne malte, zeichnete und gestaltete wie mein letztjährig verstorbener Opa, ein Klagenfurter Architekt.
Obwohl meine Mutter einst bereits die A-Klasse besuchte, spielte sie bei meiner Entscheidung keine Rolle. Auch den Prozess davor beeinflusste sie nicht "Pro-Viktring", im Gegenteil. Ihr war es wichtig, gemeinsam mit mir so viele Schulen in Klagenfurt wie möglich anzusehen. Ich entschied mich in Ruhe und alleine für die A-Klassen-Anmeldung am BRG Viktring. Ich war ja bereits einige Jahre an der Musicalschule meiner Eltern, beides Musiker, und der Musikschule als Klavierschüler. Es war wohl diese Verbindung zur Musik, die mir meine Entscheidung für den Musikzweig erleichterte. Und vielleicht war es die Ungewissheit über die damals neuen M-Klassen und die positiven Berichte über die ehemaligen A-Klassen, die zu meiner Entscheidung führten. Heute mit acht Jahren Lebenserfahrung mehr, an der Kippe zum Erwachsenenwerden und mit einer wohl nicht mehr so schüchternen Persönlichkeit wie damals, hätte ich mich womöglich aus Prinzip für das Neue und Ungewisse, das irgendwie Spannende, entschieden. Respekt all denjenigen, die dies getan haben und damit auch ein Risiko eingegangen sind.
So sehr wie ich mich in den letzten acht Jahren verändert habe, haben sich wohl die meisten verändert. Natürlich ist man nie derselbe Mensch wie ein knappes Jahrzehnt zuvor, gerade nicht in diesem Alter. Ich denke aber schon, dass auch Viktring, im Speziellen der Musikzweig, etwas mit einem macht. Am Morgen in ein "normales" Schulgebäude, wie in meiner Volksschulzeit (ohne spezielles Feeling, spezieller Architektur, historischem Background, aber dennoch modernem und progressivem Ruf) einzutreten, könnte ich mir heute gar nicht mehr vorstellen. Ich glaube, das wäre nicht in jeder Schule so. Auch wenn sich das Wandern von Klasse zu Klasse, von Raum zu Raum teilweise heute noch wie ein Gang durch ein Labyrinth anfühlt, muss die Besonderheit von Sälen wie dem Barock- oder Freskensaal erwähnt und Klassenräume wie das Musikzimmer im EG, ursprünglich ein Freizeitraum, angesprochen werden. Sie boten Abwechslung, zeigten irgendwie auch, dass der Musikunterricht anders war als jener der anderen Fächer.
Ebenfalls beeindruckend: die vielen weiteren Räume für den Instrumentalunterricht, Bandproben etc. Ich glaube, solche Dinge schätzen wir erst jetzt richtig, kurz bevor es vorbei ist. In ein, zwei Jahren wird dieses Gefühl nochmals anders und vielleicht stärker sein.
"How can we change the fact that we only appreciate things after losing them?", lautet eine populäre Frage. Ich habe keine Antwort darauf, ich weiß nur, dass ich wohl vor zwei oder drei Jahren nicht auf die Idee gekommen wäre, in einem Text für den Deutschunterricht die Existenz der Musikräume zu loben. Vielleicht hätte ich mir gar schwergetan, überhaupt positive Worte über die Schule zu finden. Dass dies heute anders ist, hängt meiner Ansicht nach mit dem oben erwähnten Phänomen zusammen, Dinge erst am Ende oder danach schätzen zu können. Ich denke, zu diesem Zeitpunkt sind derartige Bewertungen am ehrlichsten.
Der Unterricht in diesen Räumen stand für Kontinuität. Nicht so ganz hingegen unsere Lehrerschaft. Ganze sechs Professoren unterrichteten alleine im normalen Musikunterricht, weitere drei leiteten zu unterschiedlicher Zeit den Chorgesang und zwei Professorinnen versuchten, mein Können am Instrument zu verbessern. Ich hätte wenig Probleme damit, gegen den einen oder anderen zu wettern, da es in dieser Reflexion um Ehrlichkeit gehen soll und nicht um einen Marketingtext für die Schulhomepage. Dies kann ich jedoch gar nicht tun, da ich an alle MusiklehrerInnen weitestgehend positive Erinnerungen habe. Klarerweise hat jeder Professor seinen eigenen Stil. Während wir mit Prof. Krassnitzer gerade einen meiner Meinung nach guten Mix aus allen Teilbereichen durchmachten, um gut für die Matura vorbereitet zu sein, sangen wir mit Prof. Burian in der ersten Klasse regelmäßig, ohne dabei die Theorie und Geschichte zu vernachlässigen. Prof. Bleier brachte uns beim Notenschreiben nach vorne, Prof. Lischnig, der im zweiten Semester der 7. Klasse für ein halbes Jahr einsprang, ließ uns schon mal unsere Notebooks mitnehmen, um uns Programme zu überspielen, mit denen wir selbst gestalten konnten, und Prof. Koller brachte uns beispielsweise das Analysieren einer Fuge näher.
Den einzigen der sechs MusiklehrerInnen, der bis jetzt noch unerwähnt geblieben ist, möchte ich etwas hervorheben. Auch weil er aufgrund seiner herzensguten, aber zurückhaltenden Persönlichkeit oft etwas im Hintergrund verschwindet. Prof. Steiner sorgte aus meiner Sicht für den abwechslungsreichsten und spannendsten Unterricht. Mit ihm wurden die Pflichten wie Notenlehre und Musikgeschichte nicht vernachlässigt, wir setzten uns aber auch schon mal im Musikzimmer in einen Sesselkreis, um gemeinsam zu musizieren, mit Instrumenten oder a capella, wurden ebenfalls am Computer tätig oder komponierten selbst. Bei der Vorbereitung für die musikalischen Beiträge unseres Maturaballs spielte er ebenfalls eine große Rolle, verwies nach Applaus der SchülerInnen am Ende jeder Probe aber stets auf Prof. Krassnitzer, die ihren Job hervorragend machte und hauptverantwortlich für die tollen Auftritte war. Aber obwohl Prof. Steiner kein aktueller Lehrer der Maturaklasse war, brachte er sich immer und überall ein, wo er benötigt wurde. Ich möchte ihm hiermit einen großen Dank aussprechen und an die musikalische wie die Schulleitung appellieren, engagierten Personen wie ihm die gebührende Anerkennung zu schenken, die er – was ihn ehrt – als Persönlichkeit weder brauchen noch bemängeln, wahrscheinlich ohnehin als ausreichend betrachten würde. […]
Besondere Highlights waren auch die ganz en Auftritte (außer Haus) und Veranstaltungen, die wir besucht oder mitgestaltet haben. Theater- oder Konzertbesuche, die Chor- und Probenwochen in Ossiach, unsere eigenen Weihnachtskonzerte in der Schule – verbunden mit der Vernissage der BE-Klassen–, aber auch jene in der Johanneskirche. Es mag sich vielleicht etwas seltsam anhören, aber alleine die Busfahrten zu den Generalproben und den Auftritten sind mir unglaublich positiv in Erinnerung, waren sie doch ein großer Spaß. Eine Art von Tradition, bei der ich mich gut fühle, dieses nicht immer positiv behaftete und auch von mir kritisch beäugte Wort (Tradition, Anm. d. Verf.) zu verwenden. In diesem Fall geht es nämlich weniger um ein Datum, einen Ablauf oder einen bestimmten Dresscode beim Auftritt, sondern viel mehr um ein gemeinschaftliches Miteinander einer Gruppe von Leuten, die seit Jahren durch die Schule miteinander verbunden sind. Ein Teil dieser Gruppe sind für mich aber auch unsere Schulwarte, bei denen ich mich als erstes nach hoffentlich bestandener Matura bedanken werde. Für ihre tägliche Arbeit und Freundlichkeit. Auch sie haben uns schließlich achte Jahrelang begleitet. […]
Etwas schade finde ich, dass es Feiern wie das alte Sommerfest (mit tollen musikalischen Beiträgen) im Arkadenhof nicht mehr (regelmäßig) gibt. […] Diese Zusammenkünfte abseits des täglichen Schulstresses; Veranstaltungen, bei denen auch ProfessorInnen mal etwas aus sich heraus gehen und privatere Gespräche mit SchülerInnen führen können, sind etwas, das im Schulalltag so gut wie gar nicht vorkommt, aber von großer Bedeutung wäre.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die Entscheidung für das BRG-Viktring (A-Klasse) die beste meines bisherigen Lebens war – okay, eine Floskel, die aber nun mal die Wahrheit wiedergibt. Ich durfte zwar neben meiner Schulzeit im journalistischen und sportlichen Bereich Erfahrung sammeln, würde aber behaupten, dass mich der Alltag hier am meisten geprägt hat. Ich bin eine Person, die versucht, an emotionalen Abschieden immer das Beste zu sehen und Erfahrungen bzw. Erinnerungen mitzunehmen. Nach acht großartigen Jahren glaube ich nicht, dass man jedes Jahr Dankesblumen ans Sekretariat schicken oder alle gesungenen Chorstücke nachsingen muss, um dies zu würdigen. Das Erlebte wirkt auch so stark nach und man wird sich wohl immer wieder gerne erinnern, Fotos und Videos betrachten, sich mit alten Weggefährten treffen. Ich denke aber, dass diese Zeit allein indirekt nachwirkt, man dieses Gesamtpaket an positiven wie auch negativen Momenten im Herzen trägt und es einen als Mensch zumindest ein bisschen (positiv) verändert hat.
Alexander Johannsen (Abschlussjahrgang 2019)
Anmerkung: Dieser Text entstand im Rahmen des Deutschunterrichts der 8AM-Klasse, als Reflexionen geübt wurden, die zugleich uns als Schule – besonders jedoch den Schwerpunkten – die Möglichkeit bieten sollten, ehrliche Gedanken (vor allem Anregungen zu Verbesserungen) von SchülerInnen, die sie, wenn auch nicht alle, anonymisiert verfasst haben, zu erhalten.